Nachdem sich herausstellte, dass drei meiner auserwählten Begleiter sich entweder wenig begeistert darüber zeigten, in die Alpen zu ziehen, oder gern dabei sein wären, aber aufgrund einer Krankheit nicht dabei sein konnten, habe ich beschlossen alleine ins Berchtesgadener Land zu fahren. Zuvor eine Route ausgesucht, die mich von Schönau am Königssee zu Gotzenalm, Wasseralm und zum Kärlingerhaus führte und dann durch die Saugasse zu St. Bartolomä. Um 06:00 am Pfingstmontag, also ca. zwei Stunden später als geplant, ging es los Richtung Süden. entsprechend mit zweistündigen Verspätung gegen eins in Schönau angekommen. Lange bevor ich das Ziel erreichte sah ich schon tiefe Wolken über die Alpen hängen.
Nach schnellem Mittagessen fuhr ich zum Parkplatz wo ich Franz kennenlernte, der zufällig mit seinem VW-Transporter neben meinem Golf geparkt hatte. Es stellte sich heraus, dass Franz auf der Suche nicht nur nach einer Route, sondern auch nach einem Begleiter war. Also fragte er mich. Das kam mir sehr gelegen, da allein der Blick hoch zu den Bergen, deren höhere Lagen komplett unter Nebel verschwunden waren, den starken Wunsch weckte, den Aufstieg aufzuschieben und die Nacht in einer Pansion zu verbringen. So aber gewannen wir beide etwas an Sicherheit und wagten den Aufstieg. Um kurz 14:00 ging es los.
Wir haben auf die Fahrt mit der Jennerbahn zu der Mittelbahnstation verzichtet (14Euro? Neeee!), da ich fest davon überzeugt war, dass wir es auch so rechtzeitig bis zu Gotzenalm schaffen. Diese auf 1685m hochgelegene Almhütte sollte das Ziel der ersten Etappe werden. Laut einer Anzeigetafel am Parkplatz und laut meiner Routeberechnung hatten wir ca 19km bis zu dieser Hütte. Der Aufstieg hoch zu der Mittelbahnstation gestaltete sich schwierig, es regnete, der Steig war schlammig, aber noch gut zu erkennen. Dennoch waren wir nach ca. 2 Stunden oben und standen an einer Parkbank mit den Hinweisschildern des DAV – bis zu Gotzenalm waren es aber immer noch 3,5 Stunden. Halbe Stunde später und nach ein paar Dutzend Rindviechern weiter (siehe Bild unten) kamen wir zu unseren Zwischenstation – Königsbachalm. Capuccino (stark kakaolastig) und Wasser bestellt und etwas ausgeruht. Hier habe ich auch die erste Bekanntschaft mit einem Hybrid-WC-Plumsklo gemacht: ein Keramik-WC im Anbau mit einem daneben stehenden Eimer mit Wasser zum Nachspülen.
Die nette Wirtin aus Zwickau empfiehl uns nicht die kürzere sondern die etwas längere Route zu der Gotzenalm, da diese über einen durch Autos befahrbaren Weg führte und leichter zu meistern war. Dennoch war sie skeptisch, dass wir es bis 20:00 schaffen. Den haben wir auch genommen und machten uns um 17:30 auf den Weg. Allerdings habe ich meine Kondition komplett überschätzt bzw. den Anstieg unterschätzt – zunächst hielt jede 100-200 Meter an, um mich etwas auszuruhen, später sogar jede 10-20 Meter. Es regnete teilweise recht stark und auch der Nebel wurde immer dichter, je höher wir aufstiegen. Nur durch Anfeuerung von Franz und anhand der Tatsache, dass wir längst den point-of-no-return passiert haben, hielt ich mich noch auf den Beinen und ging weiter. Langsam wurde es dunkel und wir beide etwas unruhig: wie lange noch bis zu der Almhütte? schaffen wir es bevor es stockfinster wird? usw. So oder so, ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, am nächsten Tag meine Alpen-Tour abzubrechen.
Als wir endlich die Bergkuppe erreicht haben und das gelbe Schild „Gotzenalm – 2 min“ sahen, waren wir ziemlich erleichtert und ich legte sogar mit den letzten Kräften einen kurzen Rocky-Balboa-erklimmt-die-Treppe-Tanz hin. Immerhin haben wir insgesamt vom Parkplatz am Königssee bis hierher ca. 1100 Höhenmeter geschafft. Allerdings war durch den dichten Nebel die Almhütte noch immer nicht zu sehen. Erst als wir kurz weitergingen und an einer Weggabelung standen, lüftete sich der Nebel etwas und wir sahen plötzlich die Gotzenalmhütte ca 50-80 Meter vor uns. Ein selten gekanntes Gefühl der Erleichterung überkam mich. Völlig müde und durchnässt traten wir in die Hütte ein, wo schon ein breites Publikum von etwa 20 Wanderern es sich bei Bier und Essen gemütlich gemacht hatte. Nachdem wir die nassen Klamotten gegen trockene getauscht haben, bestellte ich mir einen Weizen und eine Suppe. Die Suppe schmeckte etwas seltsam – in der Mitte des Bouillons befand sich ein faustgroßer Klumpen aus Brot und Käse, muss wohl eine bayerische Spezialität sein. Franz bestellte sich nur einen Liter warmen Wassers, es war sein erster Tag des Fastens. Später berichtete er, dass er schon mal 42 Tage gefastet hatte. Junge-Junge! Ich hätte bestimmt schon nach neun Stunden ohne Essen das Handtuch geworfen!
Hier lernten wir auch ein etwa gleichaltriges Pärchen aus Würzburg kennen – Katja und Hans. Sie waren mit ihren drei eigenen Kindern (das vierte war gerade im Ausland) und mit einem „Gast-Sohn“ aus Spanien unterwegs. Nach einer gemütlichen Gesprächsrunde in der warmen Stube ging es gegen 22:00 Uhr in das nicht ganz gemütliche 15-Betten Matratzenlager, das aber nur mit ca. 10 Leuten belegt war. Durch die ganzen Strapazen des Tages, dachte ich, es wäre des Leichteren einzuschlafen. Denkste! Das war seit langem die erste fast schlaflose Nacht, wahrscheinlich bedingt durch die Eindrücke des vergangenen Tages.