Die zweite Nacht in den Alpen war etwas erholsamer, ich konnte sogar ca. 6 Stunden Schalfen. Nach einer morgendlichen Katzenwäsche im eiskaltem Bach neben der Almhütte und einem ordentlichen Frühstück ging es weiter. Zunächst durch ein recht dichten Wald mit morschem, nassem Boden, danach wurde es trockener und felsiger. Auch die Bäume ließen jetzt zunehmend einen freien Blick zu auf die Berge um uns herum. Nach etwa zwei Stunden erreichten wir eine Wasserquelle, die direkt die Felsen neben dem Wanderpfad heruntertropfte. Nach einer kurzen Rast und nach Auffüllen unserer Trinkflaschen ging es dann weiter. Es wurde zunehmend wärmer, wir mussten viel trinken. Nach etwa drei Stunden erreichten Franz und ich den Schwarzsee – es handelte sich hierbei um einen kleinen Tümpel mit hoher Grasbewachsung an den Ufern. Was aber viel wichtiger war – es standen Bänke am Ufer, von denen man auch einen schönen Blick auf die Berge drum herum hatte.
Hier rasten wir etwas länger. Beim Essen habe ich abermals bemerkt, dass ich trotz Anstrengung und dem damit verbundenen Energieverlust keinen großen Appetit verspürte, obwoh nun schon fast fünf Stunden seit dem Früstück vergingen. Nach der Mahlzeit dösten wir noch ca. halbe Stunde halbliegend auf der Bank. Ein paar andere Wanderer, die wir noch am Tag zuvor in der Wasselalm kennengelernt haben, machten es uns nach. Die Familie aus Würzburg mit den vier Kindern haben wir seit dem Verlassen der Wasseralm bis dahin noch gar nicht gesehen, vermutlich kamen die an diesem Tag nicht so züging voran, wie noch am Vortag.
Die Erholung hat uns gut getan, es ging recht flott weiter. Bald schon erreichten wir den Grünsee, den wir auf einer gewissen Höhe im Halbkreis passiert haben. Fast unmittelbar nach dem See ging es relativ steil nach oben. Sollte aber nichts im Vergleich zu dem Ansteig kurz vor Kärlinger Haus sein, zumindest hatte ich es so nach dem Studium der Berichte anderer Wanderer in Erinnerung. Es sollten ja auch laut einer Beschreibung noch ca 500. Höhenmeter zu bewältigen sein. Wie es sich herausstellte, war das alles halb so schlimm. Ehrlich gesagt, haben wir mit Franz die ganze Zeit darauf gewartet, dass jetzt gleich eine riesige Felsenwand vor uns auftut, mit einem ganz schmalen und steilen Steg. Es waren aber immer nur kurze schwierige Phasen, die mit angenehmerem Anschnitten in Abwechslung traten. Und so waren wir freudig überrascht, als es seit etwa 10-15 min. kein Anstieg mehr zu spüren war und der Weg zunehmend breiter und ebener wurde. Und als die Gewissheit, dass wir die letzten 500 Höhenmeter fast im Vorbeigehen geschafft haben, ganz stark wurde, erblickten wir nach einer Biegung in etwa einem Kilometer das Kärlinger Haus. Nach weiteren ca. 20 min., also gegen 15:30 saßen wir schon auf der Terrasse, tranken Weizenbier (nur ich) und genossen den herrlichen Blick auf den Funtensee und die Berge drum herum.
Das Kärlinger Haus war im Vergleich zu Wasseralm ein hotelähnlicher Betrieb, der alle Vorzüge der Zivilisation bot – moderne Bettenlager, Schuhtrockenraum (die Schueh hängte man auf die Röhre aus denen warme Luft zum Trocknen herauskam), und – richtige Duschen!!! Allerdings nur mit kaltem Wasser, was ich aber nicht als störend empfand. Trotz all dieser Vorzüge des Kärlinger Hauses, war die Wasseralm irgendwie authentischer, uriger. Trotzdem war ich froh, eine Dusche zu bekommen. Dies und die trockenen, sauberen Klamotten danach hebten die Stimmung noch mehr. Und als ich nicht mehr glaubte, dass das noch zu toppen war – wurde ich des Besseren belehrt: ein Bier (oder auch mehrere wie es in Wirklichkeit war) plus die schöne Aussicht auf den Funtensee und die Berge dahinter, die in der Abendsonne verschiedenste Töne der gesamten Farbenscala angenommen haben, liessen mich stumm mit einer selten zuvor erreichten Hochstimmung (fast durchgehend) schweigend den Anblick geniessen.